Die Arbeit: Alles nur ein Haschen nach Wind?
Gestern abend, kurz vor’m Einschlafen hatte ich einen beunruhigenden Gedanken. Ich habe mich umgesehen, in meinem geschäftlichen Leben. Und obwohl ich in meiner Selbstständigkeit schon einiges erreicht habe, gab es noch nicht diesen einen Durchschlag, dieses eine große Projekt, von dem ich sagen kann: Da baue ich drauf. Davon lebe ich. Damit beschäftige ich auch noch weitere Menschen. Dadurch gebe ich der Menschheit etwas von dem Guten zurück, das ich selbst jeden Tag erhalte.
Das Beunruhigende daran war aber vielmehr, dass ich mir dachte: “Was, wenn du dich das in 10 Jahren immer noch fragst? Wenn du dich abmühst wie bisher und nur kleine Schritte machen kannst, weil dir die Flügel fehlen, die andere möglicherweise in die Wiege gelegt bekommen haben. Oder dank eines geschenkten Talents besser ausnutzen?” Ja, und da war er wieder, der Zweifel. Eigentlich kommt er nicht oft. Ich glaube, dass ich schon ein relativ gesundes Selbstvertrauen besitze, aber ich glaube auch, dass es manchmal an der Zeit ist, sich selbst zu hinterfragen. Tja, und so hinterfragte ich mich mal wieder, bevor mir dann vor Müdigkeit die Augen zufielen.
Was ist besser: Mühe und harte Arbeit – oder kürzer treten und Ruhe genießen?
Heute früh dann, als ich meine Bibel zur Hand nahm und gemäß meines Bibelleseplans, der mich in 2 Jahren durch die Bibel führt, das Buch “Prediger” im Kapitel 4 aufmachte. Hauptsächlich geht es hier – man höre und staune – um geschäftliche Themen. Und zwar darum, wie sich Menschen abmühen und das im Grunde genommen, wenn man mal von ganz weit weg auf unser Streben schaut, alles nur ein Haschen nach Wind ist. Drei Passage habe ich mir farblich angestrichen:
Tja, das waren einerseits Verse, die mich nachdenklich stimmten, weil ich bestätigen konnte, was ich las. Andererseits zeigte es mir auf, worauf ich eigentlich Wert legen sollte: Lieber weniger Treiben, Arbeit, Mühe, Sucht nach Visionsumsetzung und stattdessen mehr Ruhe und Frieden. Und ich bin mir sicher, dass es dir auch so geht. Der Großteil von uns ist nicht reich, aber reich beschenkt. Wir haben doch alles, was wir zum Leben brauchen. Viele von uns haben Frieden in den Familien, wenn auch lang nicht alle. Für meinen Teil kann ich das glücklicherweise bestätigen. Das beruhigte mich.
Und dann die Sache mit der Partnerschaft, mit dem Zusammenarbeiten. Das gilt nicht nur für eine gute Ehe, obwohl der Vers hin und wieder dafür verwendet wird. Sondern auch für das Geschäftsleben. Ich gebe zu: Ich liebe es, konzentriert und ruhig zu arbeiten – was meistens alleine am besten funktioniert. Aber ich suche immer stärker auch die Verbindung zu anderen kreativen Leuten in Gesprächen, weil ich dadurch neue Impulse bekomme und sich neue Ideen bilden. Was ich nicht könnte, ist mit jemandem zu arbeiten, der immer nur “zieht” und getragen werden muss. Stattdessen aber tut es gut, jemanden zu haben, der kreativen Input bietet und aber auch annehmen kann. Das wird mir immer wichtiger.
Wenn man mal zurückblickt…
Kürzlich sah ich Silvester Stallone zu seinem 70. Geburtstag eine Rede halten. Er meinte sinngemäß: “Das Wichtigste ist die Familie. Niemand wird dich am Ende deines Lebens nach deinen Errungenschaften fragen, aber was bleibt, ist die Erinnerung, die in den Herzen deiner Lieben weiterleben. Welche Erinnerungen hinterlassen wir?” Ich habe ihm etwas skeptisch zugehört und fand seine Worte ironisch. Denn: Jemand, der so viel erreicht hat, kann mit 70 Jahren leicht davon reden, dass die Familie das Wichtigste sei. Sicher hat er in den letzten 50 Jahren aber auch sehr viel verpasst – ansonsten stünde er nicht da, wo er steht. Und jetzt, wenn die Kräfte schwinden und es nicht mehr viel zu erreichen gibt, vielleicht auch weil einem die Zeit langsam entrinnt, sich auf die Familie besinnen? Ich weiß nicht. Aber vielleicht täusche ich mich auch – und Silvester Stallone war sein Lebtag ein fürsorglicher Familienvater und Ehemann und hat seine Wünsche vor denen seiner Lieben zurückgesteckt.
Viel eindrucksvoller erscheint mir da, was Niko Rosberg tat, als er mit 31 aus dem Rennsport ausstieg und meinte, dass jetzt erreicht sei, was er sich vorgenommen hatte. Denn nachdem ich davon gehört hatte, war mir klar: Irgendwo muss ein erreichbares Ziel sein, das auch eine Ziellinie markiert. Das bedeutet: Du kannst nun auch mal aufhören zu laufen und dich ausruhen. Ich meinerseits möchte dieses Ziel nicht mit 70 erreichen. Aber ich möchte auch nicht beide Fäuste voll Mühe packen, um die Schlüsselmomente meiner Familie zu verpassen. Also: Ein Teufelskreis irgendwie. Es sei denn, du hast auch einfach mal Glück im Leben. Oder besser noch: Den Segen Gottes. Denn das bringt mich auf meinen Abschlussgedanken:
Bleibt die Frage nach dem “Wann”. Oder… ist das gar nicht die Frage? Ist das “Wann” womöglich längst eingetreten – und ich gucke nur in die falsche Richtung?